Hannah
Gemeinwohl für Alle

Gemeinwohl für Alle

Wie Handlung Veränderung bewirkt

In meinem letzten Blogeintrag habe ich euch von meinem geplanten Projekt berichtet und euch meinen Projektpartner Quer Beet Naturkost in Kassel vorgestellt. In meinem Artikel habe ich erwähnt, dass Quer Beet ein zertifiziertes Mitglied der Gemeinwohl-Ökonomie ist. Auch lautet der Titel meines Blogs „Gemeinwohl kommunizieren“; doch was bedeutet Gemeinwohl überhaupt und was hat das mit Ökonomie oder Quer Beet zu tun? Wenn ihr’s wissen wollt, dann seid ihr herzlich eingeladen, an dieser Stelle weiterzulesen.

Gemeinwohl für wen, Gemeinwohl von wem?

Gemeinwohl beschreibt das allgemeine Wohl, welches möglichst vielen Individuen einer Gesellschaft zu Gute kommen soll. In einer pluralistischen Gesellschaft mit vielen Menschen mit unterschiedlichen Erfahrungen, sind auch die Antworten auf die Frage, was mit „Wohl“ gemeint ist, unterschiedlich. Noch weiter differenzieren sich die Antworten bei der Frage nach der Art und Weise; wie und was wird getan, um zum Gemeinwohl beizutragen? Das Hören des Einzelnen ist dabei wichtiger Bestandteil bei der Vermehrung von Gemeinwohl. Denn: die individuelle Wertehaltung eines einzelnen Menschen formt das Verständnis und die Handlung einer Gesellschaft zum Gemeinwohl.

Gemeinwohl entsteht somit aus einer Wechselbeziehung zwischen einem Menschen mit anderen Menschen. Die dabei entstehenden ethischen Handlungen sind es, die dann in einen politisch-gesellschaftlichen Diskurs münden.Das Streben nach Gemeinwohl ist in der Gesellschaft so tief verankert, dass es auch in einigen Verfassungen der Länder, wie zum Beispiel in Baden-Württemberg, festgehalten ist. International kann Ecuador als Beispiel herangezogen werden; in der Verfassung ist das Recht auf ein Gutes Leben („buen vivir“) von Menschen, Tieren, Pflanzen, Boden, Luft und Wasser im Jahr 2012 hinzugefügt worden. Seit den 1990er Jahren findet die Diskussion um das Gemeinwohl zunehmend auch in einem wirtschaftlichen Kontext statt. Entgegen der klassischen Wirtschaftslehre, die auf den Prinzipien von Konkurrenz, unbegrenztem Wachstum und uneingeschränkter Freiheit basiert, werden in der Gemeinwohl-Ökonomie alternative Wirtschaftsmodelle diskutiert, deren Fundament die Prinzipien von Kooperation, Solidarität, Gemeinwohl und die ökologische Nachhaltigkeit bilden. Doch eine theoretische Idee braucht für ihre Verwirklichung auch handlungsnahe Praktiken.   

     

Die Gemeinwohl-Bilanz

Die praxisnahe Anwendung ist dabei durch Christian Felber und seiner Idee zur Gemeinwohl-Bilanzierung entstanden. Im Jahr 2010 gründete er den „Verein zur Förderung der Gemeinwohl-Ökonomie“ in Wien. 10 Jahre später ist aus dem Verein eine Bewegung geworden; 7304 Einzelpersonen und 71 PolitikerInnen beteiligen sich bereits als UnterstützerInnen und 2245 Unternehmen haben sich bilanzieren lassen (Stand 13. Juni 2020). Für die Unternehmen bedeutet die Bilanzierung, dass sie nach den Werten der Menschenwürde, Solidarität und Gerechtigkeit, Ökologische Nachhaltigkeit, Transparenz und Mitentscheidung erfasst und bewertet werden.Um eine wirtschaftliche Veränderung auf demokratische Weise herbeizuführen, ist es wichtig, dass auch PolitikerInnen auf der legislativen Ebene sich für die Gemeinwohl-Ökonomie einsetzen. Denn auf lange Sicht soll denjenigen Unternehmen mit guten Gemeinwohl-Werten eine steuerliche Erleichterung gewährt werden. Der Gedanke dahinter ist, dass diese Unternehmen bereits für das Gemeinwohl wirtschaften und dem Gemeinwesen dadurch bereits eine Verbesserung bringen. Das demokratische Verständnis der Gemeinwohl-Ökonomie endet jedoch nicht mit den repräsentativen VolksvertreterInnen; vielmehr soll die Weiterentwicklung der Bilanzierungs-Matrix durch zukünftige „Bürgerräte“ weiterentwickelt werden. Sodass in der Zukunft die Möglichkeit entstehen kann, dass alle die wollen daran beteiligt werden, den Dreiklang aus Ökonomie, Ökologie und Gesellschaft in eine Harmonie zu verwandeln.

Was den Einzelnen ausmacht

Doch gibt es bereits UnternehmerInnen, die schon von Beginn ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit um die harmonische Verwirklichung dieser teils scheinbar konträr zueinander stehenden Wahrheiten kämpfen. Beim Lesen der Gemeinwohl-Bilanz von Quer Beet wird klar, welche Art von Mehrarbeit und Beziehungsarbeit zu LieferantInnen und MitarbeiterInnen dies bedeutet. Die Absicht kooperativ zu arbeiten wird durch Verantwortungsübertragung und Förderung der MitarbeiterInnen und durch das Füreinander-Einstehen in Krisensituationen bei LieferantInnen deutlich. Die Preisgestaltung geschieht von „unten nach oben“; das heißt, zuerst kommt der/die ProduzentIn mit seiner finanziellen Forderung zur ökologischen und nachhaltigen Produktion der Lebensmittel und erst dann werden die Kosten des Naturkostladens aufgeschlagen. Auch bei der Sortimentsbildung ist höchste Sorgfalt geboten; Produkte von Aktiengesellschaften werden ausgelistet. Genauso wie sich externe Geldmittel nur von Partnern geliehen wird und bei neuen Investitionen die Deckung bereits gegeben sein soll. Doch natürlich gibt es auch immer Punkte, an denen weitere Verbesserungen möglich sind. Doch liegen diese außerhalb des Handlungsspielraums des Unternehmens, wenn es dabei um die vorhandene Infrastruktur von Banken oder ÖPNV-Angeboten geht.Und damit sind wir wieder am Anfang des Artikels angekommen. Werte zum Gemeinwohl entstehen durch die Handlung und Erfahrung Einzelner. Die individuellen Unterschiede sind in einer pluralistischen Gesellschaft ihr größter Schatz. Denn durch Unterschiede können Veränderungen bewirkt werden. Im einsamen Kleinen und im gemeinsamen Großen, Miteinander und Füreinander.

Bis zum nächsten Mal,

Ihre/Eure Hannah

Hannah Bickel

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